Die Hinrunden-Analyse fällt ernüchternd aus. Im Rundbrief zur Winterpause zieht unser Vorstand eine sportliche Bilanz.
Schalkes Hinrunde 22/23 glich einer Ernüchterung nach der Riesen-Aufstiegsparty vor der Sommerpause: 9 Punkte, Tabellenschlusslicht, 5 Punkte Rückstand auf den rettenden Rang 15, ein schwerer Start nach der WM-Pause mit Spielen gegen die Champions-League-Anwärter Frankfurt und Leipzig, wohl der Abstiegskandidat Nummer 1. Das sind trübe Aussichten. Aber auf Schalke glaubt man an eine erfolgreiche Aufholjagd, der man alles unterordnet.
2022: Jahr mit Höhen und Tiefen
Trotz des aus Schalker Sicht schaurigen Tabellenbildes herrscht in Gelsenkirchen alles andere als Katerstimmung. Der Glaube, dass die Aufholjagd in den verbleibenden 19 Spielen gelingen kann, ist spürbar und stark. Haltung, Anspruch und Selbstverständnis auf Schalke haben sich in den vier Jahren nach der Vizemeisterschaft 2018 erheblich gewandelt. Das Schalker Publikum, vom Verein zu Saisonbeginn auf Rückschläge eingeschworen, war in der ersten Saisonphase auch nach nicht gewonnenen Spielen noch zu aufmunterndem Applaus bereit.
Von Anfang an war und ist klar zu erkennen, dass diese Mannschaft bis zum Ende um den Klassenerhalt zittern wird. Sie muss aus wenig Ballbesitz möglichst viel machen, mannschaftliche Geschlossenheit zeigen und immer wieder werden auch Einzelleistungen gefragt sein. Grundsätzlich fehlen Tempo, Kadertiefe und mitunter die Fitness.
Mitte Oktober lag wenige Monate nach der Zweitliga-Meisterschaft in Gelsenkirchen plötzlich doch wieder vieles im Argen. Nach fünf Pflichtspielniederlagen in Folge, darunter desolaten Auftritten wie beim 0:4 in Leverkusen oder dem 1:5-Pokalaus in Hoffenheim, musste Cheftrainer Frank Kramer nach nur zehn Ligaspielen gehen. Kramer hatte es mit seiner Planlos-Spielidee und unverständlichen Personalentscheidungen nicht geschafft, Feuer zu entfachen. Vom Tag seiner Verpflichtung an hatte er keinen Kredit bei den Fans und auch in der Kabine nahm die Akzeptanz seitens der Mannschaft rapide ab. Das starre Festhalten am funktionierenden Aufstiegs-Trainerteam erwies sich rückblickend als wenig zielführend, da es die Trainersuche doch unnötig stark einschränkte.
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Nach dem Aufstieg hatte sich Schalke dazu entschieden, der Mannschaft ein komplett neues Gesicht zu verleihen. Der erneute XXL-Umbruch misslang allerdings. Sportdirektor Rouven Schröder, gefeierter Kreativ-Baumeister des Aufstiegskaders, stellte in völliger Geldnot ein Ensemble für die 1. Liga zusammen, das oft überfordert wirkt und nur sehr bedingt konkurrenzfähig erscheint. Von den Sommerverpflichtungen konnte bisher nur Tom Krauß über einen längeren Zeitraum überzeugen. Zuletzt deutete zudem Alex Kral mit seiner Energie und Ballsicherheit gehobene Qualität an.
Die Zugänge in der Offensive haben Schalke noch nicht entscheidend weitergebracht - weder Sebastian Polter, noch Kenan Karaman, noch Jordan Larsson. Als besonders schwierig erweist sich die Situation in der Abwehr, in der es nicht gelungen ist, die Abgänge von Ko Itakura und Malick Thiaw zu kompensieren und die Königsblauen dem VfL Bochum Konkurrenz als Schießbude der Liga machen. Insbesondere Japans Nationalmannschaftskapitän Maya Yoshida fällt immer wieder dadurch auf, dass er den Anforderungen in der Bundesliga nur unzureichend gerecht werden kann.
Ende Oktober, nach dem Sturz auf den letzten Tabellenplatz, legte Rouven Schröder seinen Posten als Sportdirektor nieder. Seit dem 26. Oktober ist eine wichtige Position im Organigramm des S04 vakant.
Der FC Schalke 04 muss in der Winterpause im großen Stil nachbessern und den Kader verstärken. Viel Geld für neue Spieler steht aber nicht zur Verfügung. Spieler von internationaler Klasse kann Schalke nicht verpflichten.
Unser neuer Coach Thomas Reis bringt neue Vorstellungen und eine andere Spielidee mit. Seit Reis die Königsblauen trainiert, haben sie sich spielerisch und taktisch verbessert. In den vier Spielen unter ihm war ein klarer Auswärtstrend erkennbar, ohne dass die sportliche Talfahrt vollends gestoppt werden konnte. Seine Vorgaben machen Mut und haben nichts mehr mit dem Angsthasenfußball unter Frank Kramer zu tun. Klar ist, dass der Trainerwechsel zu spät kam und es falsch war, so lange an Kramer festzuhalten.
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Gesucht werden am besten gleich zwei flinke Außenbahnspieler, die die Mittelstürmer, die bisher kaum bis gar nicht mit Toren glänzen konnten, in einer 4-2-3-1 oder 4-3-3-Formation bedienen sollen. Bedarf hat der Klub auch in der Abwehr erkannt, allerdings nicht aus Qualitätsgründen, sondern weil die Mannschaft in diesem Teil stark von Verletzungssorgen geplagt ist.
Dringend abgestellt werden muss die Auswärtsschwäche, denn seit mittlerweile 35 Spielen wartet S04 auf einen Auswärtssieg und hält damit derzeit gemeinsam mit dem Karlsruher SC den Bundesliga-Negativrekord. Wir werden es begleiten, mal meckernd und mal lobend.
Glückauf! Michael Mülder und Alfred Gäbelein / Vorstand