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Der Mann, der auf Schalke das Sagen hat

Wer bisher noch nicht wusste, wer das Sagen auf Schalke hat, und sich gestern unter die rund 200 Zuhörer des Fantalks in der Ochtruper Stadthalle gemischt hatte, dürfte ohne Zweifel nach Hause gegangen sein: Clemens Tönnies ist der starke Mann bei den Königsblauen. Wortgewaltig, bestimmt, aber in jeder Hinsicht authentisch präsentierte sich 57-jährige Aufsichtsratsvorsitzende des FC Schalke 04 den wissbegierigen Gästen des SFCV-Bezirks 3 und ließ kaum eine Frage während der etwa zweistündigen Veranstaltung offen.

Von Michael Mülder (Emspower Rheine) / Foto von Marius Holthaus mit freundlicher Genehmigung der Münsterschen Zeitung 

Nach Finanzchef und DFL-Vizepräsident Peter Peters, Manager Horst Heldt und Kapitän Benedikt Höwedes hatte bereits der vierte Schalker Prominente im Jahre 2013 auf Einladung des Bezirksleiters Dieter Brand den Weg in den Bezirk 3 gefunden. Flankiert von Aufsichtsratskollege und Dachverbands-Urgestein Rolf Rojek, Arthur Saager, den gastgebenden Ochtrupern Bürgermeister Kai Hutzenlaub und dem Pottbäcker-Vorsitzenden Markus Wolf sowie Brand, der den Talk souverän moderierte, stand Tönnies Rede und Antwort. Er fühle sich immer sehr wohl im Münsterland, ließ der Fleischfabrikant aus Rheda-Wiedenbrück wissen, denn schließlich würden viele seiner Schweine aus den hiesigen Gefilden stammen.

Mit der sich seinen Grußworten anschließenden Frage des ersten Ochtruper Bürgers, wie und wann denn der FC Schalke 04 wieder Deutscher Meister würde, ging es gleich in medias res. Schalke werde irgendwann mit Sicherheit den Titel holen, denn vorher würde er nicht aufhören, gab Tönnies zum Besten, zeigte sich zunächst aber erleichtert über den „Befreiungsschlag“, den die Mannschaft mit dem Sieg gegen Leverkusen „im tollsten Stadion der Welt in einer Atmosphäre, wie es sie nur bei uns gibt“ gelandet habe.

Mit den Verpflichtungen von Prince Boateng und Dennis Aogo habe man nun die Voraussetzungen geschaffen, guten Fußball zu spielen und dem eigenen Anspruch, international mit der Perspektive Champions League vertreten zu sein, gerecht zu werden. Linksverteidiger Aogo habe man auf Empfehlung von Bundestrainer Jogi Löw nach Gelsenkirchen geholt, während man an Prince schon länger interessiert gewesen sei. Tönnies lobte Sportvorstand Horst Heldt für den Transfercoup, dem er persönlich schon seit langem den Auftrag erteilt habe, den Deutsch-Ghanaer vom AC Mailand loszueisen, für seine Hartnäckigkeit.

Man hätte sich Boateng auch ohne die Champions League-Millionen leisten können, bekräftige der Schalke-Boss auf entsprechende Fan-Nachfrage. Zudem brach er eine Lanze für Cheftrainer Jens Keller, den er für einen „ausgesprochen guten, kompetenten und bienenfleißigen Trainer“ halte. Mitunter mache ihn das öffentliche Trainermobbing richtig wütend. So habe er Waldemar Hartmann in einem persönlichen Telefonat die Meinung gegeigt, nachdem dieser im Sport1-Doppelpass schon nach dem zweiten Spieltag den Kopf des Schalker Linienchefs gefordert habe.

Befragt zum Podolski-Gerücht meinte Tönnies launig, Arsenal habe wohl ein Tauschgeschäft mit Julian Draxler vorgeschwebt, was für Königsblau aber keine Option darstellte. „Da haben wir wohl die richtige Entscheidung getroffen, oder?“, rief Tönnies den begeistert applaudierenden Schalkern in der Ochtruper Stadthalle zu. Draxler werde übrigens definitiv in dieser Saison auf Schalke bleiben. Entwarnung für die Transferperiode II im Januar 2014!

Warum man Raul nicht den gewünschten Zwei-Jahres-Vertrag angeboten habe, wollte einer der Zuhörer wissen. Der Senor habe ihm mitgeteilt, dass er die Belastungen nicht mehr wegstecken könne. Man werde sich aber als passionierte Jäger auf die gemeinsame Jagd begeben. Real Madrid müsse sich im Übrigen schämen, Raul erst so verspätet und wohl auch nur als Reflex auf die pompöse Schalker Inszenierung einen Abschied verschafft zu haben.    

Klare Worte gab es vom Aufsichtsratschef auch zu den Themen königsblaue Fanszene, Schalker Jahreshauptversammlung, Viagogo und dem Polizeieinsatz in der Nordkurve während des Saloniki-Spiels. Tönnies wählte auch in Ochtrup wie während der JHV das Bild des Bulldozers, den er anrücken lassen wolle, um die Gräben in der Schalker Vereinsfamilie zuzuschütten. Er mahnte die Einheit aller Schalker an und gab ein klares Bekenntnis zum Schalker Dachverband SFCV und seinen Fanclubs ab, den er als gut geführt bezeichnete. Schalke sei glücklich mit dieser Institution. Erst in dieser Woche habe er die Streitparteien an einen Runden Tisch versammelt, nachdem sich in den vergangenen Monaten die sogenannte aktive Fanszene von Ultras, Supporters und Fan-Ini vom SFCV losgesagt hatte. Er verstehe die Probleme nicht und zeigte sich entsetzt über das gegenseitige Misstrauen und die Selbstzerfleischung, die er als „Schalker Krankheit“ betitelte und dem Verein viel von seiner Kraft nehme. Er trete für einen kritischen, aber respektvollen Umgang miteinander ein und rief dazu auf, in den Dialog zu gehen.

Den Vorwurf, der SFCV sei zu nah am Mutterverein, wies er zurück und riet der unzufriedenen sogenannten aktiven Fanszene, keine neue Institution zu gründen. Ansprechpartner für Fanbelange bliebe für den FC Schalke 04 allein der SFCV. Mangelnder Respekt und fehlende Konstruktivität attestierte Tönnies so manchem Mitglied und Besucher der Schalker JHV Ende Juni: „Einige Mitglieder können sich nicht benehmen!“ Er verteidigte das von Kritikern als „Zirkusveranstaltung“ beanstandete Rahmenprogramm und nannte als Zielvorstellung auch in Zukunft, jedes zehnte Mitglied an den demokratischen Abstimmungen teilhaben lassen zu wollen.

Das Thema Viagogo habe man total unterschätzt. Diesen Namen, der große Chancen hat, zum Schalker Unwort des Jahres zu werden, könne er überhaupt nicht mehr hören. Er habe sich die Zusammenarbeit mit der Ticketplattform angesehen, erkannt, dass dieser Partner sich nicht an vertragliche Vereinbarungen hielte, entsprechende Warnungen ignoriere und habe deshalb Marketing-Vorstand Alexander Jobst schnell angewiesen, den Vertrag zu kündigen. Man sehe einem Rechtsstreit gelassen entgegen.

Den Polizeieinsatz in der Nordkurve während des Saloniki-Spiels wolle er eigentlich nicht weiterhin zu einem Medienthema machen, kritisierte aber dann den Einsatz harsch: „Es kann nicht sein, dass sich die Polizei von den griechischen Delegierten aufhetzen lässt. Wir haben das Hausrecht in der Arena. Die Polizei aßt mit Pfefferspray wegen einer Fahne, die dort seit Jahren unbeanstandet hängt, in der Nordkurve herum statt die Zuschauer vor den randalewilligen griechischen Gästen in der Südkurve zu beschützen.“ Schalke 04 werde aufgrund des Vorfalls keine Stadionverbote auf Hinweise der Polizei hin aussprechen, versprach Tönnies auf insistierende Nachfrage des Emspower-Vorsitzenden Oliver Attermeyer.

Infrastrukturell habe man die weitere Entschuldung im Auge. Investitionen in die Infrastruktur habe man zurückgestellt, um in die Mannschaft zu investieren, denn diese habe dringend Verstärkung benötigt. Wenn es aber die Kassenlage zulasse, werde man weitere Trainingsplätze, einen Footbonauten und ein Regionalliga-Stadion errichten sowie das Jugendinternat erweitern. Es sei ein Ziel, dass es jährlich zwei Schüler der Knappenschmiede in den Profikader schafften.

Zwischen Aufsichtsrat und Vorstand gebe es ein „sauberes Reporting“. Dringende Entscheidungen würden im Eilausschuss des Aufsichtsrats von ihm und Uwe Kemmer getroffen. In sportlichen Dingen hole man sich den Rat vom Kompetenzteam Gerald Asamoah und Olaf Thon.

Zum Thema Eintrittspreispolitik betonte Tönnies, dass sich Schalke seiner sozialen Verantwortung bewusst sei. Hamburger Verhältnisse, in Fankreisen Synonym für überzogene Preise, werde es auf Schalke nicht geben. Weitere Preiserhöhungen schloss er für die Zukunft ausdrücklich nicht aus. Es sei ein Spagat.

In diesem Zusammenhang berichtete Tönnies von einer Anekdote. Er habe sich, als die Kritik an den Eintrittspreisen mal wieder besonders massiv gewesen sei, eine besonders scharf formulierte Mail genommen und den Schreiber, wie er es öfters tue, angerufen. Am Ende der Leitung habe sich gemeldet: ein Zahnarzt! Das sei dann schon eine Frechheit, echauffierte sich Tönnies.

Bemerkenswert war, dass sich Tönnies ständig Notizen machte. Die beengten Räumlichkeiten der Fanabteilung, das mangelhafte Catering bei Veranstaltungen in der Arena außerhalb der Fußballspiele, die Abschaffung der Regionaltreffen, die im letzten "Schalke Unser" angemahnten Satzungsdefizite des FC Schalke 04 sowie die in den Augen die anwesenden Fans mangelhaft besetzten Positionen des Rechtsverteidigers und Torwarts fanden Aufnahme auf die To-Do-Liste.

Tönnies betonte zum Abschluss der Veranstaltung nochmals, wie gerne er seinen Job auf Schalke mache. "Man muss mich nicht nach Schalke prügeln. Ich tue es unheimlich gerne. Ich hänge mit Liebe und Leidenschaft an diesem Verein." Diesem Liebesbekenntnis ließ er Taten folgen und stimmte das Schalker Vereinslied an. 200 Schalker stimmten mit ein und wissen spätestens seit diesem Abend: Clemens Tönnies ist der Schalker Macher, vielleicht der „beste Aufsichtsratsvorsitzende der Bundesliga“, wie ihn ein Fan adelte. 

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