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"Ich glaube, dass das ein Stück weit Inszenierung bei Tönnies ist" (2/4)

Wie hat Michael Mülder das Treiben vor dem und rund um den Rücktritt von Aufsichtsrats-Boss Clemens Tönnies erlebt? Und wie den Rückzug von Peter Peters? Bei einem ist er sich recht sicher, dass es nicht ganz freiwillig geschehen ist. Um die Krise in der Schalker Chefetage geht es in Teil 2 des großen Emspower-Sommerinterviews.

<link https: www.emspower.de news meldungen article michael-muelder-davon-sind-wir-noch-ganz-ganz-weit-entfernt-14.html external-link-new-window external link in new>(Hier geht es zu Teil 1: Wie Emspower Rheine durch die Corona-Pandemie kommt)

Michael, wir schwenken zum Verein FC Schalke 04. Das Stichwort Härtefallantrag hatte ich schon erwähnt: Ist das ein Punkt, der bei dir den größten Ärger hinterlässt und das Bild vom Kumpel- und Malocherclub mit einem so tollen Leitbild zerstört? Hintergrund: Kartenkäufer mussten sich praktisch nackig machen, um das Geld, das sie ausgegeben hatten, direkt zurückgezahlt zu bekommen.

Die erste Reaktion war natürlich Entsetzen. Das haben wir in der Vorstandsgruppe auch besprochen und eine einhellige Meinung dazu: Es gehört sich nicht für Schalke 04, gerade mit dem Anspruch, den wir immer wieder plakativ nach außen tragen, das so regeln zu wollen. Das war ein Fremdschämen und hat Schalke 04 überhaupt nicht gut getan. Es passt aber in das Bild, das wir selbst erlebt haben mit den Karten-Rückerstattungen. Darum war ich nicht so ganz überrascht. Es zeigt umgekehrt aber auch, wie sehr es finanziell im Verein brennt.

 

Folgerichtig, dass Peter Peters als Vorstand für Finanzen den Rücktritt erklärt hat nach über 20 Jahren? Oder hätte er vielleicht sogar entlassen werden müssen?    

Ich denke, dass das nicht ganz freiwillig geschehen ist. Ich sehe Peters schon seit Jahren kritisch, denn es ist ja nicht neu, dass die finanziellen Kennzahlen nicht die allerbesten sind. Er ist nun 27 Jahre für die Finanzen verantwortlich gewesen. Darum muss er sich den Schuh ein Stück weit anziehen und die Verantwortung übernehmen. Wenn es bei uns in den Diskussionen um die Führungsebene ging, war ein Ausscheiden von Peter Peters tatsächlich Thema, sogar wenige Tage, bevor es soweit war. 

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Wie steht es um die Vorstandsmitglieder Jochen Schneider (Sport) und Alex Jobst (Marketing)? War Peters der wackeligste für dich?

Neben Clemens Tönnies, der in der Außenwahrnehmung immer der Schalke-Boss war. Tönnies war die Nummer 1, wenn es um personelle Änderungen in der Führungsebene ging. Danach kam Peters. Ich war derjenige, der ihn ins Spiel gebracht hat. Mit Alex Jobst haben wir im Bereich Marketing einen hervorragenden Mann. Kommunikation war bis vor kurzem das Ressort, das er noch bekleidet hat - das ist nicht ganz so seine Stärke, wie man auch bei der Bilanz-Pressekonferenz erkennen konnte. Bei Jochen Schneider muss man die kommende Saison noch abwarten. Er ist erst im März der vergangenen Saison gekommen: Das ist ziemlich spät, um die Dinge sportlich zu justieren. Man muss dafür die kommende Saison abwarten. Die wird schwer genug für uns. Mal sehen, ob er das in den Griff bekommt. 

 

Bevor wir zum Sportlichen gehen: Du hast selbst Clemens Tönnies angesprochen, der zuerst mit seiner Afrikaner-Aussage, die mit Schalke gar nichts zu tun hat, negativ aufgefallen ist. Die Rassismus-Frage fand in der Öffentlichkeit ein klares Votum: Ja, die Aussage war rassistisch. Daraufhin wurde der Ehrenrat des FC Schalke 04 tätig, der Tönnies praktisch freigesprochen hat - er verordnete sich wohl praktisch selbst eine dreimonatige Auszeit von seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender, was viele als Urlaub kritisierten. Aufgrund dieser Affäre trat ein Mitglied des Ehrenrats aus und erklärte später in Interviews, was die Gründe waren. Viele, die nah dran sind an Schalke 04, die kennen die Hintergründe: Abhängigkeiten und Seilschaften im Verein. Menschen haben im Verein Clemens Tönnies ihre Karriere zu verdanken. Auch der Ehrenrat zeigte sich in einer Farce von Verhandlung als nicht unabhängig. Ist nun sein Rücktritt ein Befreiungsschlag für den Verein oder schadet es ihm noch weiter? 

Wenn man die Sache insgesamt betrachtet mit den rassistischen Äußerungen aus dem Sommer und dem, was im Nachhinein mit den Coronafällen in seinem Unternehmen auf Schalke übergeschwappt ist, ist es nun, glaube ich, eine gute Gelegenheit für einen Neuanfang. Die Seilschaften gibt es, glaube ich, tatsächlich. Es ist eine logische Folge, wenn jemand so eine lange Zeit in einem Verein ist und seine Tätigkeit so ausfüllt, wie er es getan hat. Das ist ja auch eine Typfrage, wie man mit so einem Amt und so einer Aufgabe umgeht. Und das Geld: Wie man hört, hat er ja persönlich - wenngleich zu marktüblichem Zins - in den Verein hereingeschossen und sein Netzwerk, das er persönlich hat, aktiviert. Das ist dann zumindest finanziell nicht zum Schaden des Vereins gewesen. Da muss man abwarten, wie es sich darstellen wird, nachdem er sich zurückgezogen hat. Man muss auch sagen: Die Leute, die er protegiert hat, sind ja nach wie vor noch in ihren Gremien und Ämtern.

 

Siehst du denn vor dem Hintergrund wirklich die Chance auf einen Neuanfang? Wie Jobst und Schneider auf die Rassismus-Affäre reagiert haben, ist ja auch bezeichnend: Sie haben Tönnies in Schutz genommen: Die Aussage sei nicht so gut gewesen, aber er sei kein Rassist, sondern ein guter Typ. Wenn man die Verflechtungen rund um seine Fleischindustrie betrachtet, mit den Arbeitern, unter welchen Bedingungen sie leben und arbeiten, auf deren Rücken er sein Imperium aufgebaut hat. Durch sein Unternehmen ist er zum Milliardär geworden...

Ja, aber da muss ich auch die Politik in Mithaftung nehmen. Das sind Zustände, die durch die Rahmenbedingungen von der Politik ermöglicht wurden. Von Clemens Tönnies wurden sie ausgenutzt...

 

Naja, das muss man ja nicht tun, alles tun, was gesetzlich erlaubt ist. Es gibt auch noch den moralisch-ethischen Gesichtspunkt. Klar, in einem marktwirtschaftlichen System geht es bei Unternehmern um Gewinnmaximierung und das Ausschöpfen aller Möglichkeiten, um das Niederringen von Wettbewerbern, dadurch, dass man besser ist oder gemeiner mit mehr Ellbogen - aber das passt doch nicht zu dem Bild, das Schalke 04 von sich zeichnen will: Kumpel und Malocher. Wenn man dann sieht, wie sich Tönnies beim Abschied vom Bergbau in der Arena hinstellte und sprach, als die letzte Zeche des Ruhrgebiets schloss: Ist das Fassade? Ist der wirklich so? Oder ist er so vernebelt, dass er das für sich nicht übereinander bringen kann? Passt das zusammen?

Ich glaube auch, dass das ein Stück weit Inszenierung bei ihm ist. Dieses Joviale, das er hat, kommt ihm natürlich zugute. Und das weiß er auch, das setzt er auch bewusst ein. Viele sind dieser Aura ja auch erlegen, das macht er schon ganz geschickt. Ich will ihm da nicht Unaufrichtigkeit vorwerfen. Nur manchmal habe ich den Eindruck, dass es dann auch bei ihm nicht aus tiefstem Herzen passiert, sondern dass er ganz genau weiß, was er tut, um die Dinge in seinem Sinne zu lenken und zu beeinflussen. 

 

Wie könnte ein Neuanfang aussehen? Wir brauchen einen neuen Vorstand Finanzen, einen neuen richtigen Aufsichtsratsvorsitzenden? Oder reicht es, den Stellvertreter Dr. Jens Buchta zum neuen Chef zu befördern? Was braucht es?

Ganz schwierig, denke ich. Denn durch die jahrelange Tätigkeit von Tönnies sind viele Personen noch da, die durch ihn in die Positionen gekommen sind. Sie sind ihm gegenüber noch in gewissem Maße verpflichtet. Zumindest Loyalität werden sie walten lassen. Was wir bräuchten, wäre ein personelle und stukturelle Neuauffrischung, zumindest in den Führungsebenen. Es scheint so zu sein, dass man gern auch mal Verantwortung hin und her schiebt. Da müssen wir eine ganz klare Abgrenzung haben, mit Sicherheit auch einige neue Personen, ein, zwei ganz neue Gesichter auf Vorstandsebene. Im Aufsichtsrat würde ich mir das auch wünschen, denn wenn man ehrlich ist: Man sieht ja auch dort sehr häufig immer wieder die gleichen Gesichter. Gewesene Aufsichtsräte erscheinen immer mal wieder als neue Kandidaten. Wir brauchen definitiv ein Stück weit personelle Erneuerung, damit sich wirklich was ändert. Sonst schmort man im eigenen Saft. 

 

Ist das denn realistisch?

Es ist schwer. Wie bekommt man neue Personen? Wo sind diese Leute bisher gewesen? Ich bin überzeugt, dass es bei der großen Anhängerschaft, die wir haben, Leute gibt, die über das Know-How, die Persönlichkeit und das Charisma verfügen, Dinge dort tatsächlich zu verändern. Nur das wird auch seine Zeit dauern. Wenn man das im Aufsichtsrat über Wahlen schaffen möchte, dauert es auch seine vier bis sechs Jahre. Oder man schafft es, im Vorstand zwei ganz starke neue Persönlichkeiten hinzuzugewinnen, die dann auch ihre Handschrift ganz deutlich hinterlassen und dafür sorgen, dass wir nach außen wieder eine Wirkung haben, womit man sich als Schalker wieder identifizieren kann. 

 

Und man muss eines auch noch sagen: Kritik an Tönnies gibt es nicht erst seit diesem Jahr. Die gibt es auch schon bei vorherigen Wiederwahlen. Und es gab immer eine Opposition von Tönnies-Gegnern. Und bei den Jahreshauptversammlungen hat er dann immer 70 Prozent der Stimmen oder so erhalten. Und das von rund 10.000 anwesenden Mitgliedern. Klar, man weiß nicht, ob das auf alle 150.000 übertragbar ist. Aber das ist das entscheidende Votum. 

Das sind die Leute, die bei der JHV durch ihr Erscheinen aktiv am Vereinsleben teilnehmen. Das steht jedem Mitglied frei. Die Stimmverhältnisse waren immer, auch wenn es im Vorfeld laut geworden ist um Clemens Tönnies, doch immer recht eindeutig pro Clemens Tönnies. 

 

 

Das ganz Interview in allen vier Teilen vorab anhören: Jetzt in unserem neuen Podcast:

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In den nächsten Tagen <link https: www.emspower.de news meldungen article das-grosse-emspower-sommerinterview.html external-link-new-window external link in new>in Teil 3 des großen Sommerinterviews: So erklärt sich Emspower-Finanzmanager Michael Mülder die sportliche Talfahrt auf Schalke in der Rückrunde. Das sind die Problemfelder im Kader. Auf diese Stützen hofft er fürs neue Spieljahr. Und kann Schalke wirklich mit Trainer David Wagner weiter machen? Der große sportliche Rundumschlag.

 

<link https: www.emspower.de news meldungen article michael-muelder-davon-sind-wir-noch-ganz-ganz-weit-entfernt-14.html external-link-new-window external link in new>In Teil 1 des Interviews ging es um das Fanclubleben in der Corona-Zeit, wie Emspower Rheine durch die Krise gekommen ist und was die große Hoffnung für die nächste Zeit ist.

 

In Teil 4 geht es um die Prognose: Wann dürfen wieder Zuschauer in die Stadien? Und was hat Emspower in den nächsten Wochen vor? Ein Ausblick.