Gehört Gewalt zum Fußball dazu? Wenn man das Spiel Arsenal gegen Schalke als Grundlage zur Beantwortung dieser Frage nimmt, dann kann man sagen: Nö. In Deutschland ist das zurzeit leider anders. Darum war London ein idealer Ort für ein Anschauungsbeispiel, wie sich Sicherheitskräfte in und um ein Fußballstadion herum verhalten sollten, um der Gewalt im Fußball entgegenzuwirken.
In England waren die 60.000 Fans im Stadion von Gewaltausübung so weit entfernt wie das Gehalt eines Kumpels von dem von Klaas Jan Huntelaar. Gewalt war dort auch ehrlich gesagt nicht zu erwarten, denn bei diesen internationalen Auswärtsreisen sind trotz der Anwesenheit zahlreicher Allesfahrer-Ultras die Fans der Kategorie C (und B) nie dabei (was unterstreicht: Ultra heißt nicht gleichzeitig Gewalttäter). Dennoch ist die Beobachtung eines "Stewards", sprich Ordners, namens Walter während des Spiels einen News-Beitrag auf emspower.de wert. Weil Walter ein Vorbild ist und jeder deutsche Polizist, jeder deutsche Ordner einmal Anschauungsunterricht bei Walter nehmen müsste. Wir hätten im Handumdrehen weniger Probleme.
Was hat Walter getan? Walter hatte die eigentlich gefühlt undankbare Aufgabe, mitten im Gästeblock, in den unteren zehn Reihen, da, wo die lautstärksten und unbändigsten Supporter stehen, nach dem Rechten zu sehn: dass das Rauchverbot eingehalten wird, die Leute nicht auf die Stühle steigen und dass der Treppenaufgang immer schön frei bleibt. Das ist eine lästige Angelegenheit, denn wenn unten die Reihen voll sind, dann steht eben auch schon mal jemand im Gang. Und rauchende Fußballfans gibt es auch so eins, zwei. Walter löste diese Aufgabe mit unglaublich viel Charme. Er tickte einen zwar wiederholt an, zwinkerte und deutete einem mit einem Kopfnicken, zwei Schritte nach links in die Reihe zu rücken. Aber das nervte nicht. Denn er hatte immer ein Späßchen auf den Lippen und nahm seine Aufgabe nicht so bitterernst. Wenn die Fans sich einhakten, um den FC-Schalke-Walzer zu tanzen, dann ließ er sich mitschunkeln und murmelte die Melodie mit. Wenn die Fans die Schalparade machten, knöpfte er sich die Fake-Steckkrawatte vom Kragen und reckte sie mit hoch. Er lächelte viel, flachste mit uns, blieb dabei aber zurückhaltend und war von einem Clown weit entfernt. Er zeigte einfach Respekt vor dem, was wir als Fans an albernen Dingen tun. Interessant: Innerhalb der 90 Minuten erarbeitete er sich ein Standing. Wenn er jemandem deutet, die Füße vom Sitz zu nehmen, dann konnte derjenige ihm den Gefallen kaum abstreiten. Das klingt total nach heile Welt und wäre bei einer strittigen Niederlage vielleicht anders ausgefallen, aber es war ein Erfolgsrezept.
Ich habe ihm nach dem Spiel von den Derbykrawallen erzählt (man hatte auf der Insel davon gehört, sagte er) und ihn gelobt. Wenn alle Ordner und Polizisten in Deutschland so gelassen und respektvoll mit Fans umgingen, hätten wir weitaus weniger Probleme. Ich fragte ihn, ob er den Auftrag erhalten habe, sich so zu verhalten. Er sagte: "Nein, so arbeite ich immer. Egal ob West Ham oder Tottenham hier spielt, es funktioniert immer. Ich habe Spaß, so mit den Leuten ins Gespräch zu kommen. Viel besser, als immer nur mit Anweisungen zu Nerven." Das lehre ihn die Erfahrung im Gästeblock. Interesse an den Fans. Verständnis für ihr Verhalten. Entgegenkommen, Gespräche - das ist es, was dem Sicherheitskonzept in Deutschland fehlt. Lieber DFB, liebe Polizei: Schult eure Leute im Umgang mit uns! Schickt sie zur Lehrstunde in den Gästeblock von Arsenal. Wir brauchen mehr Walters!
Ein Beitrag von <link internal-link internal link in current>Tobias Weckenbrock, Webmaster von emspower.de und ab und an aktiv als <link http: weckenbrock.posterous.com lernen-von-walter-ein-beitrag-zur-gewaltdebat external-link-new-window external link in new>Schalke-Blogger.